Rückblick
Kreativität in der Psychotherapie -
Grundlagen und Forschungsresultate
28./29. Juni 2024 am C. G. Jung-Institut Stuttgart
"Das Schöpferische lebt und wächst im Menschen wie
ein Baum im Boden, dem er seine Nahrung abzwingt."
C. G. Jung, 1922, GW 15, §11
Kreativität spielt beim therapeutischen Prozess und bei der Individuation als Wirkmechanismus für uns eine wichtige Rolle. Jung betonte immer wieder, dass im Menschen in schöpferisches Prinzip wirksam ist. Hat er damit Kontakt, hat er Zugang zum Unbewussten, zu seinen Ressourcen und zu seinen Selbstheilungskräften. Psychische Probleme und Symptome entstehen, wenn dieser Kontakt verschüttet und keine kreative Bewältigung der Konflikte mehr möglich ist. In einer Therapie oder Analyse kann über die therapeutische Beziehung erneut ein Zugang des Ichs zum kreativen Unbewussten entstehen. Dabei können kreative Methoden wie symbolische Bildarbeit, Aktive Imagination, Sandspiel, Märchen und Mythenarbeit diesen Prozess unterstützen.
Der 8. Forschungstag von infap3 fand zum Thema «Stand der Archetypendebatte» in
Stuttgart am 16. Oktober 2021 statt. Das Thema gehört zu den Kernthemen der Analytischen
Psychologie und wurde deswegen sehr gut besucht, einerseits online per Zoom, andererseits
leibhaftig im Plenumsraum des Stuttgarter Institutes. Der Archetypusbegriff ist einer der am
meisten umstrittenen und diskutierten Begriffe von C.G. Jung, aber auch der am meisten
„jungianische“. Der späte Jung vergleicht die Unanschaulichkeit des Archetypus mit einem in
der Mutterlauge gelösten und folglich nicht feststellbaren Kristall. Auch die aktuelle Debatte
ist von widersprüchlichen Positionen geprägt, die sich auf Äußerungen Jungs berufen können.
Ist der Archetypus ein biologisches „pattern of behaviour“ mit genetischen Wurzeln oder ein
sozio-kulturelles Muster? Ist er im Sinne von Kants Transzendentalphilosophie eine
Bedingung der Möglichkeit, um Bilder zu bilden, eine „facultas formandi“? Was bildet sich,
um mit der Metapher zu sprechen, wenn die Mutterlauge „verdunstet“ und das Kristall
„ausfällt“? Lässt sich der Archetyp erkennen oder ist er eher eine Erkenntnisvoraussetzung?
Bieten neuere Entwürfe wie die Bindungstheorie die Chance, Archetypen zu
operationalisieren oder ist die Nicht-Operationalisierbarkeit der entscheidende Vorteil der
Archetypologie?
Nach wie vor müssen die Erkenntnisse der Psychotherapieforschung und ihre Implikationen für die Praxis laufend in die Weiterbildung einfließen und wissenschaftlich fundiertes Wissen gelehrt und vertreten werden. In diesem Zusammenhang kommt der Begriff „Manualisierung“ ins Spiel. In der Psychotherapie ist das ein heikles Thema, weil er die Assoziation des Vorgehens nach Kochbuch auslöst. Die Tagung «Psychotherapie und Manualisierung. Technik, Kunst oder theoriegeleitetes Wissen» unter der Ägide der drei Organisationen infap3 (Internationales Netzwerk Forschung in der Analytischen Psychologie), der ASP (Assoziation Schweizer Psycholog/innen) und der ZHAW Angewandte Psychologie wollten mit der Tagung eine breite Diskussion über das Thema der Manualisierung eröffnen, um eine Perspektive zu entwickeln, wie die Anforderungen der Akkreditierung erfüllt werden können und therapeutisches Arbeiten nach gemäss seiner Komplexität möglich bleibt.
Von besonderer Beachtung war das große Review von Sandspieltherapien, mit welchem Christian Roesler einen wissenschaftlicher Beleg über die Wirksamkeit und Effektivität von Sandspielprozessen (siehe abgeschlossene Studien) liefert. Interessant auch ein Beitrag einer südafrikanischen Kollegin, Judith Bredekamp, die über Sandspieltherapie in den Townships berichtete. Hier war bemerkenswert, dass sie ergänzend zum Sandspiel ein projektives diagnostisches Verfahren aus dem C.G.Jung-Institut Stuttgart, den Haus-Baum-Feuer-Wasser-Mensch-Test (siehe abgeschlossene Studien) benutzte.
Mit seinen Assoziationsstudien ist Jung schon um 1907 der empirische Nachweis eines dynamischen Unbewussten gelungen, indem er durch experimentelle Studien einen wissenschaftlichen Beweis für innerpsychisch affektiv-wirksame unbewusste Störmomente in Bezug auf kognitive Bewusstseinsprozesse lieferte. Auf diese Weise kam er zur Entdeckung der sog. „autonomen gefühlsbetonten Komplexe“ (Jung, 1934, GW8 § 253), sinnhaft verknüpft durch einen gemeinsamen oder ähnlichen Gefühlston (Affekt) und einen gemeinsamen Bedeutungskern (Archetyp).
Mit dem 6. Forschungstag knüpfte INFAP3 an die empirische Tradition in der Analytischen Psychologie an, mit dem Ziel eine breite Diskussion des Komplexmodells zu initiieren und mit der Vorstellung dieses für eigene Forschung an den Instituten und Ländergesellschaften nutzen zu können.
Dargestellt wurden sowohl neuere Modelle zur Theorie der Komplexe von Jungs Nachfolgern und Vergleiche mit verwandten Theorien aus anderen Psychotherapieverfahren wie der Schematherapie bei der Verhaltenstherapie oder inneren Arbeitsmodellen der Bindungstheoretiker.
Das Ziel von INFAP3 ist die Vernetzung in Forschungsfragen und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in den drei Ländern Schweiz, Deutschland und Österreich. Zu diesem Zweck ist das Netzwerk vor 6 Jahren gegründet worden. Am Vorabend des eigentlichen Forschungstages traf sich im C.G. Jung-Institut Zürich eine hoch dotierte Auswahl an Funktionsträgern; aus dem Vorstand INFAP3 Eckhard Frick, Wolfram Keller, Anette und Lutz Müller, Christian Roesler, Mario Schlegel, Elisabeth Schörry-Volk und Ralf Vogel, sodann die Präsidentin der IAAP, Marianne Müller, der SGAP, Irene Bischof, und der DGAP, Annette Berthold-Brecht. Der Präsident der ÖGAP, Gerhard Burda, kam einen Tag später dazu. Anwesend waren außerdem Vertreterinnen der CGJIInstitute Zürich (Verena Kast, Renate Daniel), Stuttgart (Dieter Schnocks), München (Christine Queisser), Berlin (Wolfram Keller) und ISAP ZURICH (Isabelle Meier). Es war allen klar, dass die Analytische Psychologie etwas unternehmen muss, um der Übermacht der kognitiven Verhaltenstherapie begegnen zu können, die auf ihrem Weg andere Richtungen schier aus dem Weg zu räumen droht. Lutz Müller formulierte in einem Thesenpapier die Auffassung, dass man den Spieß umdrehen und die Integratoren integrieren solle. Die Analytische Psychologie solle sich als Pionierwissenschaft einer interdisziplinären Psychotherapie präsentieren. Über seine Thesen wurde eifrig diskutiert.
Am 16.7.2016 fand im C.G. Jung-Institut Stuttgart der 4. Forschungstag der deutschsprachigen Analytischen Analytiker, bzw. Psychotherapeutinnen statt, erstmals allerdings hauptsächlich getragen vom frisch gegründeten INFAP3 (Internationales Netzwerk für Forschung und Entwicklung in der Analytischen Psychologie - 3Ländergruppe). Das Netzwerk, präsidiert von Mario Schlegel (Zürich) und Elisabeth Schörry-Volk (Stuttgart), wird von den Gesellschaften für Analytische Psychologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz zwar unterstützt, arbeitet aber in Unabhängigkeit von diesen, wie es für Forschungsgesellschaften ohnehin sinnvoll ist. Cord Benecke konnte als Referent gewonnen werden mit seinem Beitrag Moderne psychoanalytische Forschung – gibt es das? Tina van Uffelen stellte mit das Assoziationsexperiment C.G.Jung mit ihrer Untersuchung auf eine aktuelle wissenschaftliche Grundlage.
Am Kurfürstendamm in Berlin, in den sehr ansprechenden und hellen Räumen der DGPT, fand am 11. Juli 2015 – nach den Forschungstagen in Stuttgart 2013 und München 2014 – der 3. Forschungstag der Jungianer statt. Veranstaltet von DGAP und dem C. G. Jung-Institut Berlin, organisiert von dem Arbeitskreis Forschung in der Analytischen Psychologie. Gut besucht, so dass mit 40 Stühlen der Raum an seine Kapazitätsgrenze gelangte. Teilnehmer des Forschungstages kamen vorwiegend aus dem Berliner Institut, einige wenige aus München und Stuttgart. Erfreulicherweise waren auch einige Studierende von der IPU Berlin gekommen, vielleicht wollten sie den Vortrag ihrer ehemaligen Kommilitonin, Antje Barber, hören.
Als Gemeinschaftsveranstaltung der DGAP und des Münchner C. G. JungInstituts fand am 19. Juli 2014 in den Räumen der Hochschule für Philosophie in München der zweite Forschungstag statt. Die Tagung war die Fortsetzung des Stuttgarter Forschungstages im vergangenen Jahr, der ins Leben gerufen wurde, um das Forschungsdenken unter Jungianern zu stärken, Forschungsaktivitäten zu bündeln und einen Ort der Refl exion und des Austausches zu schaffen auf der Suche nach geeigneten jungianischen Forschungsmethoden. Dank des vielfältigen Programms wurde es ein bereichernder Tag. Erfreulicherweise befanden sich auch viele Junge unter der zahlreichen Zuhörerschaft, insbesondere eine Delegation von Studierenden der neuen Hochschule für angewandte Psychologie in Stuttgart, die vor Kurzem gegründet worden war. Herzlich begrüßt wurden auch die Vorsitzenden der drei großen Jung-Institute Deutschlands, Alexander Behringer aus Berlin, Dieter Schnocks aus Stuttgart und Elke Metzner aus München. Irene Bischof als Vorsitzende der SGAP sowie Anette Müller, Lutz Müller und Sylvia Kipp von der Hochschule in Stuttgart waren ebenfalls zu Gast. Durch den Forschungstag führten Ralf T. Vogel, Eckhard Frick und Elisabeth Schörry-Volk.
Als gemeinsame Veranstaltung der DGAP und des C. G. Jung-Instituts Stuttgart fand in dessen Räumen am 8. Juni 2013 der erste Forschungstag statt, der mit einem reichhaltigen Vortragsprogramm einlud. Die Zusammenkunft trug der Entwicklung Rechnung, dem Thema Forschung einen höheren Stellenwert einzuräumen, sowohl aus berufspolitischen Gründen im Sinne der Finanzierung der Analytischen Psychologie als Kassenleistung als auch aus dem Anliegen heraus, die Konzepte der Analytischen Psychologie besser zu fassen und der Fachwelt zu präsentieren. Dies hieße an C. G. Jungs forschende Haltung, die in seinen Assoziationsexperimenten zur Erhellung der Komplexstruktur zum Ausdruck kommt, anzuknüpfen. Es wurde betont, dass es wichtig sei, Forschungsmethoden zu finden, die dem komplizierten Seelengeschehen gerecht werden, und diesen forschungsbewussten Blick auch in die Ausbildung hineinzutragen.
Christian Roesler, Professor an der Universität Basel, organisierte die Tagung zusammen mit der IAAP mit dem Ziel die theoretischen Konzepte der Analytischen Psychologie zu diskutieren, und wenn möglich weiter zu entwickeln. Marianne Müller, Präsidentin der IAAP, begrüßte die Anwesenden im Namen der IAAP, sie brachte zum Ausdruck, dass sie es sehr schätze, dass die IAAP mit der Universität Basel zusammen eine Tagung durchführen könne, um enger mit der akademischen Welt zusammenzuarbeiten. Mark Solms, Direktor der Neuropsychologie und Professor für Neuropsychoanalyse in Südafrika, sprach im Hauptvortrag engagiert und aufrüttelnd über Bewusstsein und Unbewusstes aus neuropsychoanalytischer Sicht. Die gängige Meinung war, Bewusstsein entstehe durch Sinneswahrnehmungen. Aber: Der Wachzustand kommt nicht von Sinneswahrnehmungen, sondern ist tief im Hirnstamm und angrenzenden Orten lokalisiert, und auch das hat mit Bewusstsein zu tun. Von diesen tieferliegenden Regionen (Hirnstamm, limbisches System etc.) stammen auch die Basisemotionen, das affektive Bewusstsein. Die Affekte sind das Papier, worauf die Sinnesorgane schreiben. Es gibt kein Bewusstsein ohne affektives Bewusstsein, wiederholte Solms immer wieder. Das Subjekt des Bewusstseins ist Affekt. Das limbische System und tiefer liegende Regionen sind ebenso für die Instinkte und Triebe zuständig. Das affektive Bewusstsein ist getrieben von diesen Gefühlen. Kognitive Wahrnehmung braucht aber kein Bewusstsein, wir können zum Beispiel lesen und verstehen, was wir lesen, ohne es bewusst zu tun. Deshalb stellt sich die Frage, was ist überhaupt Bewusstsein?
Ich hatte im Zeitraum von Februar bis August dieses Jahres das Privileg, mich im Rahmen eines Forschungssemesters international mit Kollegen aus der Analytischen Psychologie im Rahmen von Forschungsaktivitäten zu vernetzen, und möchte im Folgenden darüber berichten. In Zusammenarbeit mit Joe Cambray, dem ehemaligen Präsidenten der IAAP, organisierte und leitete ich eine internationale Forschungskonferenz zur Analytischen Psychologie, die mit Unterstützung der Baumann Stiftung und der International Association of Analytical Psychology, Research Group vom 25. bis 27. Mai 2014 an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel stattfand. Es war das Ziel, alle Bemühungen um empirische Forschung in der Analytischen Psychologie in einem Überblick zusammenzuführen und international zu koordinieren. Vertreten waren Kollegen aus Deutschland, der Schweiz, den USA, Großbritannien, Frankreich und Japan; den chinesischen Kollegen wurden leider kurzfristig die Visa verweigert, und die vor allem angelsächsischen Kollegen, die intensiv mit neurowissenschaftlicher und entwicklungspsychologischer Forschung befasst sind (Brian Feldman, Margaret Wilkinson, Jean Knox u. a. m.) waren leider verhindert.
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